Kolumne

Warum Therapeuten und Gutachten trotz aller Kritik für Trans*Menschen wichtig sind

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Wenn von Änderungen am TSG gesprochen wird, dann geht es in einem großen Punkt auch um die Sitzungen beim Psychologen sowie die Gutachten für die Namens-und Personenstandsänderung, die der geschlechtlichen Selbstbestimmung (angeblich) im Weg stehen. Von vielen werden sie als diskriminierend und unwichtig beschrieben, doch stimmt das so? Ich habe zu dem Thema eine eigene Meinung und im Laufe der Jahre auch die Möglichkeit gehabt, mich mit verschiedenen Psychologen darüber zu unterhalten.

Der Besuch beim Psychologen hat bei vielen immer noch den Ruf, dass er nur für kranke Menschen in Frage kommt. Selten wird es als Problem-Behandler angesehen. Denn im Prinzip ist eigentlich ein Gespräch unter vier Augen mit einer fremden Person über ein Problem. Egal ob es sich dabei um Ängste, unlösbare Situationen oder Gefühle handelt. Gerade für Trans*Menschen alles wichtige Punkte, und möchte man den Weg gehen, mit dem Ziel endlich frei zu leben, mit allem was dazugehört, dann ist ein Besuch unverzichtbar. Doch viele sehen es als Diskriminierung an, bis aufs kleinste Detail zum eigenen Leben ausgefragt zu werden. Dazu zählen auch Fragen über die Kindheit oder die eigene Sexualität. Fragen, die sicherlich in den meisten Sitzungen gestellt werden, nicht nur in Bezug auf Transsexualität. Und so hat sich eine gewisse Abscheu gegen diese Berufsgruppe entwickelt. Eine unnötige Belastung, auf die man verzichten will.

Nach all den Jahren, in denen ich mich selbst in verschiedenen Therapien befunden habe, sehe ich es ganz anders. Es sollte nicht als Übel, sondern als Chance angesehen werden. Eine Chance, um sich mit sich selbst auseinander zu setzen und Hintergründe zu erforschen. Ich habe viele Menschen erlebt, die sich eine Traumwelt erschaffen haben, in der sie von allen als Frau bewundert und angehimmelt werden. Es gibt keine Probleme, jeder Wunsch wird von den Augen abgelesen. Ein Leben, das so viel anders ist, als das Leben als Mann, in dem man Stärke zeigen muss. Doch die wenigsten würden nicht einmal den Alltagstest bestehen, da das Bild von einer Frau, das sie im Kopf haben, weit von der Realität entfernt ist und eher einer erotischen Fantasie entspringt. Doch um sich dessen klar zu werden, ist es wichtig sich damit auseinander zu setzen. Dafür sind die Psychologen und Therapeuten zuständig. Es geht nicht darum, etwas auszureden, sondern Sicherheit über das tatsächliche Empfinden zu schaffen. Ich war in meinem Leben, angefangen in meiner Kindheit, wegen meiner Transsexualität bei vielen verschiedenen Therapeuten. Nie hatte ich das Gefühl einer Diskriminierung oder Bevormundung. Im Gegenteil, sie alle haben versucht, mir bei meinen Gedanken zu helfen. Mich selbst zu sortieren. Es ist einfach wichtig, nichts zu überstürzen. Sich wirklich sicher zu sein. Denn alle weiteren Schritte erfordern große Eingriffe in das bestehende Leben. Veränderungen, die nicht immer leicht sind und sehr an der Seele nagen können. Dessen sollte man sich immer bewusst sein.

Ich kenne nur all zu gut Forenbeiträge und Gruppenhilfen, die genau erklären, wie man auftreten und was man sagen sollte, damit man die Diagnose und Hormontherapie problemlos bekommt. Doch wem ist damit geholfen? Ich selbst bin in all der Zeit immer wieder auf Trans*Menschen gestoßen, die nach ihrer Transition die Psychologen dafür verantwortlich gemacht haben, dass sie nun ein schlechteres Leben als zuvor haben. Manche hielten es nicht mehr aus und gingen den ganzen Weg wieder zurück. Das was im ersten Moment wie eine Erlösung erschien entwickelte sich für sie schnell zu einem Trugbild und endete im Desaster. Vor allem Hormone sind kein Spielzeug, die man einfach Mal so ausprobieren kann. Trotzdem werden sie sehr oft missbraucht, um lediglich Fantasien zu befriedigen. Dabei können aber Schäden entstehen, die nicht mehr zu beheben sind. Ein Therapeut ist auch nicht nur dafür da, um die Geschlechtsdysphorie zu bestätigen, sondern auch, um die Zeit während des sogenannten Alltagstest zu begleiten. Eine Hilfestellung zu geben und helfen, gemachte Erfahrungen zu verarbeiten. Dabei wird immer im Blick behalten, dass der Betroffene keinen Schaden nimmt. Etwas, das Selbsthilfegruppen nicht immer bieten, denn meist wird dort nur in eine Richtung unterstützt und gefördert. Wenn etwas schief läuft, dann sind die anderen schuld. Etwas, das ich leider in der Vergangenheit oft beobachten konnte. Und auch mit ein Grund, warum ich mich aus solchen Gruppierungen zurückgezogen habe.

Natürlich gibt es trotzdem Handlungsbedarf, gerade bei der Namens- und Personenstandsänderung. Hier sollte höchstens noch ein zweiter Gutachter hinzugezogen werden, denn durch den Therapeuten, der die Hormontherapie bewilligt hat, wurde die Transsexualität ja schon festgestellt. Zudem sollte es auch deutschlandweit einheitliche Kosten betragen. Momentan liegen sie, je nach Bundesland, mehrere 1.000€ auseinander, was eine ziemliche Ungerechtigkeit ist, da das ganze Verfahren und alles was dazu gehört, ohnehin schon nicht ganz billig ist. Warum ich dennoch gegen eine Selbstbestimmung, ohne diese Gutachten bin, sollte aus den bisherigen Zeilen ersichtlich sein und für jeden, der sich wirklich damit befasst hat, auch verständlich. Natürlich gibt es viele, die sich tausendprozentig sicher sind und sich daran auch nichts mehr ändern wird. Aber es gibt ebenso viele, die sich einfach mitreißen lassen, weil sie sich etwas besseres erhoffen, ohne sich der Risiken bewusst zu sein. Ich habe mich Mal mit einer Richterin, die Verfahren über Personenstandsänderungen beschließt, über dieses Thema unterhalten. Sie war besorgt über die angestrebten Änderungen, da sie nicht die Verantwortung über ein Menschenleben übernehmen möchte, ohne genügend Hintergründe zu kennen. Sie musste ebenso schon Verfahren leiten, von Menschen, die alles wieder rückgängig machen ließen. Das juristische System ist nun Mal keine Spielwiese, auf der man nach belieben verschiedenes ausprobieren kann und wenn es einem nicht gefällt, alles wieder problemlos rückgängig gemacht wird. Und gerade hier hinein fällt auch non-binary – Menschen, die sich weder als männlich noch als weiblich empfinden. Aus Interviews und Unterhaltungen heraus weiß ich, dass viele, die sich selbst so beschreiben, es eher als eine Phase ansehen, die in zwei Jahren schon wieder vorbei sein kann. Und trotzdem kämpfen diese Menschen dafür, dass für sie der Geschlechtseintrag problemlos geändert werden kann. Dabei ist es schon seit Jahrhunderten in allen Kulturen klar: Du kannst alles sein, je nachdem, wie du dich empfindest. Aber es kommt der Punkt im Leben, wo du dich für eines davon entscheiden musst, was du dann bis zum Tode bleibst. Ein ständiges hin und her ist darin nicht vorgesehen. Zumindest nicht, wenn es um Gesetze geht. Und so war es in Deutschland auch bis zur Einführung des Grundgesetzes. Wer als Zwitter galt konnte sich bis zum 18. Lebensjahr für das Geschlecht entscheiden, in dem er bis zum Lebensende auftreten wollte. Aber das führt schon wieder zu weit und ich entferne mich vom eigentlichen Thema (das ich in einem anderen Blogbeitrag noch aufgreifen werde. Zum TSG gibt es verschiedene Infos hier). Der springende Punkt ist, eine gewisse Stabilität im Leben ist wichtig und die findet man nicht immer selbst.

Gerade das Internet verführt inzwischen zur Selbstdiagnose, wenn man versucht ist herauszufinden, was mit einem los ist. Die unendlichen Schubladen, die inzwischen existieren, macht es noch schwieriger einen Anfang zu finden. Immer wieder erreichen mich auf diesem Wege Anfragen und Hilferufe von Menschen, die sich über sich selbst nicht klar sind. Ich versuche dann, so gut wie möglich zu helfen, in dem ich von mir erzähle und sie erzählen lasse. Da ich kein Psychologe oder ähnliches bin unterlasse ich irgendwelche Weissagungen, über ihr tatsächliches Empfinden, sondern empfehle ihnen eine Therapie, um unter fachlicher Aufsicht, Klarheit zu erlangen. Manchen reicht schon das Gespräch, um festzustellen, dass, auch wenn sich die Biografien in manchen Punkten ähneln, es viele große Unterschiede gibt. Das muss nichts bedeuten, trotzdem würde ich mir niemals anmaßen, eine Aussage diesbezüglich zu treffen. Aus eigener Erfahrung weiß ich selbst, wie viel Zeit es braucht, um alles zu verstehen, was im Inneren vor sich geht und ich war dankbar dafür, Unterstützung von jemandem bekommen zu haben, der nicht selbst davon betroffen ist, aber das ganze unvoreingenommen von außen betrachtet. Ein Punkt der sehr wichtig ist. Natürlich ist es einfacher einen Therapeuten zu haben, der sofort Feuer und Flamme ist und nichts kritisch hinterfragt. Aber es ist mit das Schlimmste, was passieren kann, denn gerade dieses Hinterfragen hilft alles besser zu verstehen. Doch dafür muss man selbst unvoreingenommen und ehrlich an die Sache rangehen. Kein Psychologe will einem etwas böses oder macht sich einen Spaß daraus, jemanden zu diskriminieren oder leiden zu sehen. Sie bieten Hilfestellung. Und ein richtig guter Psychologe lässt den Patient seine eigenen Schlüsse ziehen. Selbst erlangte Erkenntnis statt präsentierte Tatsachen von einem Außenstehenden.

Auch Psychologen sind nur Menschen und nicht unfehlbar. Deshalb ist es wichtig nicht gleich nach der ersten Sitzung abzubrechen, weil Mal ein falsches Wort gefallen ist oder sich das ganze in eine Richtung entwickelt, die man nicht erwartet hat. Gerade die Erwartungen sollten runtergeschraubt werden und man sollte sich Zeit für alles geben. Auch ein Psychologe muss seine Patienten erst kennenlernen, dafür reicht nicht nur eine Sitzung aus. Inzwischen gibt es viele Therapeuten, die auf eine jahrelange Erfahrung zurückblicken können und für verschiedene Dinge ein Auge haben. Doch selbst sie würden eine Entscheidung nicht übers Knie brechen, hängt doch immer ein Menschenleben davon ab. Sie tragen eine große Verantwortung: entscheiden sie zu spät, kann es sein, dass die betroffene Person vielleicht so labil geworden ist, das für sie der Suizid der einzige Ausweg bleibt. Entscheiden sie zu schnell können sie damit ebenfalls einen Menschen ins Unglück stürzen. Und gerade in der heutigen Zeit, in der man schnell als Trans*Phob bezeichnet wird, nur weil man als Arzt eine andere Meinung vertritt oder eine andere Entscheidung getroffen hat, gibt es viele behandelnde Psychologen, die für die betroffenen Personen entscheiden, um diesen Anfeindungen zu entgehen. Doch wer trägt dann am Ende die Verantwortung?

Wie ihr seht, bleibt es ein schwieriges Thema. Trotzdem empfinde ich es als ein mehr als wichtiges System, das zwar nach all den Jahren einiges an Änderung bedarf, aber im groben völlig in Ordnung ist. Die Menschen müssen nur lernen, ihre Angst abzulegen und damit aufhören, die Sitzungen als Schikane anzusehen. Dann wäre vieles schon leichter. Für beide Seiten.

PS: Natürlich gibt es, wie bei allen Dingen, auch Negativbeispiele, die sollten aber die Minderheit bilden und nicht für die Allgemeinheit sprechen. Sollte man wirklich auf so einen Fall treffen, dann besteht immer die Möglichkeit zu wechseln. Doch wie oben geschrieben, sollte man auch etwas Zeit vergehen lassen und nicht gleich beim ersten negativen Anzeichen alles schwarz malen und hinschmeißen.

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