Mein Leben

Achterbahnfahrt der Gefühle

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Vor fast einem Jahr bekam ich die Diagnose dafür, was mich schon seit Jahren quält: Mittelschwere Depressionen. Es gab für mich etliche Arztbesuche, sowie Theraphiesitzungen. Und natürlich Tabletten. Stimmungsaufheller, die mir auch beim Einschlafen helfen sollten und nach vielen Versuchen auch die richtige Dosis hatten. Somit hatte ich wieder einen geregelten und nach vielen Monaten erholsamen Schlaf. Doch eines blieb: Die Achterbahnfahrt der Gefühle, die plötzlich über einen hereinbrechen können und damit einen ganzen Tagesablauf auf den Kopf stellen. Ohne Vorwarnung. Manchmal reicht dazu als Auslöser ein paar Worte oder ein Moment, in dem man sich plötzlich hilflos und alleine fühlt. Und das schlimme daran, man kann es nicht einfach abschalten oder kontrollieren. Und Worte wie „Ist doch alles nicht so schlimm!“ oder „Du musst es nur positiv sehen!“ bewirken sehr schnell das Gegenteil und man befindet sich in großem Tempo auf einer Abwärtsspirale. Und dann fühlt man sich allein. Und nicht verstanden. Von niemanden …

Für viele ist es schwer zu verstehen, das eine Depression nicht gleich eine Depression ist. Natürlich, jeder hat mal eine depressive Phase, einen Punkt in seinem Leben, wo man am liebsten alles hinschmeißen möchte, weil man das Gefühl hat, dass es nicht mehr weiter geht. Doch diese Phase geht schnell wieder vorbei. Was ist nun aber, wenn man solche Phasen immer wieder hat und das Gefühl nicht los wird, dass es nur an einem selbst liegt? Das alles, was man anfängt, irgendwie in die Brüche geht und die ganze Welt sich gegen einen verschworen hat? Das man von niemand verstanden wird? Natürlich, es gibt immer wieder Phasen, in denen man glücklich ist, man Zeit hat durchzuatmen. Momente in denen die anderen denken, es wäre alles wieder okay. Doch was man auch tut, zu schnell wird man wieder von seinen Dämonen eingeholt und wird Sklave seiner eigenen Gedanken. Und irgendwann legt sich das alles auf den Körper. Sich ständig einen Kopf zu machen, verbraucht viel Energie. Und somit ist man auch schnell niedergeschlagen, erschöpft und müde. Und am Tiefpunkt verbringt man seine Zeit nur noch im Bett mit Schlafen, weil der Körper einfach nicht mehr weiter kann. Und es sind nicht nur die Gedanken, sondern auch das ständige Auf und Ab der Emotionen und Gefühle, die einen kaputt machen. Bis man sich selbst kaputt macht. Oder noch mehr …

Ich hab in dem letzten Jahr viel über mich gelernt, viel über Depressionen gelesen und mit Gleichgesinnten geschrieben. Immer wieder ist es für mich erschreckend, wie viele Jugendliche bereits darunter leiden. Inzwischen nutzen einige die Möglichkeit mit mir darüber zu schreiben und sich auszutauschen, was für mich eine gute Sache ist, wenn ich anderen dabei helfen kann, die Dinge besser zu verstehen. Auch wenn es mir angeraten wurde, so habe ich es nie geschafft, mich selbst einfach mal auf Null zu fahren. Zurückzutreten um wieder zu Kräften zu kommen, um noch einmal von vorne anzufangen. Für mindestens ein halbes Jahr hätte ich mir eine Auszeit nehmen müssen. Von allem. Was aber nicht möglich war. So hab ich zwar mit einer Therapeutin am Umgang mit meinen Depressionen gearbeitet und auch den Schlaf in den Griff bekommen, mehr aber nicht. Und dies ist eine Sache, die mir nun immer wieder auf die Füße fällt. Die mich aus verschiedenen Situationen einfach so rausreißt.

Auch wenn ich nun genau weiß, was mit mir los ist und was mich schon seit Jahren quält, hat sich für mich nichts geändert. Eines der großen Probleme ist, dass ich nun zwar einen Namen hab, um mich anderen besser zu erklären, aber trotzdem ziemlich locker mit der Sache umgegangen wird. Gerade den Satz „Jeder ist mal depressiv!“ hab ich dutzende Male gehört. Natürlich, für Außenstehende ist es ziemlich schwer, all das zu verstehen. Und für viele ist es noch schwerer einfach nur zu zuhören, oder einem das Gefühl der Sicherheit zu geben, das man sich wirklich öffnen kann. Ich kann verstehen, das es nicht immer einfach ist, den negativen Worten zu folgen und sich damit zu befassen. Ich hätte es auch lieber anders.
Wie gerne würde ich öfter herzhaft Lachen, als zurückgezogen Tränen zu vergießen. Doch aus Rücksicht zu anderen verkriecht man sich und versucht alleine, sich selbst zu stellen. Sehr oft bekommt man auch viele (sicherlich nur gut gemeinte) Ratschläge, was man alles tun könnte. Man solle doch einfach mal positiv denken und die Welt nicht nur schwarz und weiß sehen! Doch wie verwandelt man einen Batzen negative Erlebnisse in etwas positives? Es funktioniert kaum, alles schön zu reden. Und auch den Tipp zu befolgen, Dinge hinter sich zu lassen, die einen krank machen, ist leichter gesagt als getan. Denn nicht immer ist es möglich, sich von all dem zu trennen, das einen belastet. Man befindet sich scheinbar, in einem endlosen Teufelskreis, aus dem es kein Heraus gibt.

Natürlich gab es auch einige positive Erlebnisse in den letzten Monaten für mich, trotzdem wiegt die andere Seite genauso viel auf. Wenn nicht noch mehr. Nicht unbedingt weil mir so viele negative Sachen widerfahren sind, sondern weil sie für mich schwerer aufwiegen, als die positiven Dinge, die mir passieren. Natürlich nervt es mich selbst, ständig anderen wegen meinen Ängsten mein Herz auszuschütten oder alleine darüber zu grübeln. Deswegen dringt auch oft von vielen Dingen nur wenig nach außen. Und über manches spreche ich kaum. Selbst mit meinen Freunden. Am schwierigsten ist für mich immer noch, den „Arsch“ hochzubekommen und nach einem Tief schnell wieder auf die Beine zu kommen. Man kann nicht sagen, das es immer schwieriger wird (obwohl ich manchmal das Gefühl habe), aber es braucht halt seine Zeit. Manchmal mehr, manchmal weniger. Und die Menschen, die dass wissen, geben mir meistens die Zeit. Für andere wirke ich in diesen Momenten eher faul oder unzuverlässig. Was für mich ein großer Kampf ist, das dies nicht so häufig passiert, aber trotzdem manchmal umumgänlich ist.

Ein trauriger Punkt für mich ist, wie viele von meinen eigenen Projekten liegen geblieben sind. Projekte, auf die ich mich gefreut hatte und in denen ich eigentlich aufgegangen wäre. Aber ich bremse mich ständig selbst aus, auch wenn ich immer wieder Anlauf nehme und einen neuen Versuch starte. Was mir jedoch von Mal zu Mal schwerer fällt. Deswegen bin ich froh, ein Teil von Projekten zu sein, wo ich schon etwas Verantwortung übernehmen muss, aber auch genügend Zeit bekomme, wieder runterzufahren. Somit kann ich mir etwas Druck rausnehmen und bin nicht zu sehr eingeengt. Ich habe auch damit aufgehört, mich unter Druck zu setzen, anderen eine perfekte Welt vorzuspielen. Zumindest meistens. Manchmal will ich einfach selbst über andere Dinge reden und die Depressionen zur Nebensache werden lassen. Was nicht immer einfach ist oder gelingt. Viele wissen, ich hab nicht wenige Ecken und Kanten. Und sicher, ich bin nicht für jeden ein einfacher Mensch. Das werde ich auch nie. Deswegen bin ich umso dankbarer für diese Menschen, die mit mir klar kommen und mich so lieben, wie ich bin. Und auch wenn es mir nicht immer gut geht, so will ich eines nicht haben: Mitleid. Natürlich, ich kann für all das nichts und so schnell werde ich meine Dämonen nicht wieder los. Vielleicht werden sie eines Tages so klein sein, dass ich sie kaum noch bemerke. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Aber im Moment sind sie ständig bei mir und ihre Stimmen ertönen in meinem Kopf, sobald sie die Gelegenheit dazu bekommen.

Ist eine Depression heilbar? Jain. Natürlich kann man mit Therapien und Stimmungsaufhellern entgegenwirken, doch im Prinzip dämmt man es nur ein und sie kann jeder Zeit wieder erneut ausbrechen. All das ist nun mal unberechenbar. Und gerade die Selbstmordrate unter depressiven Menschen ist erschreckend hoch. Aber wie schon gesagt, ich will kein Mitleid. Mir fehlt sonst nichts und ich kann einigermaßen, mit kleinen Einschränkungen, problemlos arbeiten. Da geht es manch anderen mit dieser Krankheit viel schlimmer. Wenigstens etwas positives.
Mir reicht es schon, wenn die Menschen ein bisschen verstehen, was in meinem Kopf vor sich geht und das meine Reaktionen manchmal nicht so gewollt sind, wie sie vielleicht bei meinem Gegenüber ankommen. Für mich ist es auch viel wichtiger darüber zu reden, als ständig ein Update über meine Brustweite oder meinen Hormonhaushalt zu geben. Auch wenn das vielleicht für viele interessant wäre, aber das machen andere Trans*Mädels schon zur genüge. Ich weiss, es ist ein etwas anspruchvolleres Thema, doch ich hoffe, dass sich trotzdem viele damit beschäftigen werden, da noch immer viel zu wenig offen darüber geredet wird.

Hier noch ein paar Links, für alle die etwas mehr über dieses Thema erfahren wollen:

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